Steht uns in diesem Jahr eine Zeitenwende an den Kapitalmärkten bevor? Vor allem die Coronapandemie hat in den vergangenen zwei Jahren vieles durcheinandergewirbelt. Infolge der Coronapolitik und ihrer Maßnahmen war die Weltwirtschaft 2020 um –3,1 % geschrumpft. Im vergangenen Jahr war das Wachstum in allen großen Wirtschaftsräumen teils deutlich positiv. Die Wirtschaft wuchs 2021 um 5,9 %. Und auch für 2022 erwarten Ökonomen eine sich weiter fortsetzende Erholung der globalen Konjunktur in Höhe von 4,3 %. Die Inflationsraten waren 2021 ebenfalls, im Gegensatz zu vielen Jahren vorher, in zahlreichen Regionen stark angestiegen und befinden sich auch aktuell in mehreren Industrienationen auf einem historisch hohen Niveau. Nicht nur die Energiepreise hatten sich verteuert, auch die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel hatte stark zugelegt. In den USA erreichte die Inflation das höchste Niveau seit über 40 Jahren. Nur in Japan verharrt sie auf niedrigem Niveau. Dort verhindert das schwache Konsumumfeld, dass Produzenten ihre gestiegenen Kosten an die Verbraucher weitergeben. Für die kommenden Jahre prognostizieren Ökonomen einen Rückgang sowie eine Normalisierung der Inflationsraten in den USA und der Eurozone.
Abhängen wird dies davon, wie schnell sich die globalen Lieferketten von der Pandemie erholen können. Denn: Die stark angestiegenen Lieferzeiten und der Mangel an Rohstoffen und Vorprodukten sind weiterhin ein großes Problem für Unternehmen weltweit. Allerdings hat sich die Situation in den vergangenen Monaten etwas verbessert. Die Lieferzeiten sind im Mittel wieder rückläufig und weniger Unternehmen berichten von Verzögerungen. Der Baltic Dry Index misst die Verschiffungskosten von Rohstoffen und ist somit ein wichtiger Indikator für den Welthandel. Vom Höchstwert im Oktober 2021 ist der Index wieder auf das Niveau von Juli 2020 zurückgegangen. Ein Risiko für die Lieferketten ist die Null-Covid-Politik in China, was zu erneuten Hafenschließungen führen könnte. Zugleich sind die Gewinnerwartungen der Unternehmen für das laufende Jahr positiv. So erwarten Analysten für die im S&P 500 enthaltenen Unternehmen für 2022 eine Gewinnsteigerung um 6 %. Für die 600 größten europäischen Unternehmen wird für das aktuelle Kalenderjahr sogar ein Gewinnwachstum von 7,8 % vorausgesagt. Für die Schwellenländer hingegen wird lediglich ein Gewinnwachstum von 4,8 % angenommen. Ein Gewinnrückgang und eine damit einhergehende konjunkturelle Abkühlung wird aktuell weder in den Industrienationen noch in den Schwellenländern erwartet.
Und auch in der Notenbankpolitik steht 2022 für Veränderung: Die Kapitalmärkte preisen mindestens sechs Zinserhö-hungen in den USA ein, beginnend ab März. In der Eurozone kündigte EZB-Chefin Christine Lagarde Anfang Februar ein langsames Zurückfahren des Anleihenkaufprogramms an. Für die Leitzinsen erwarten die Kapitalmärkte hingegen nur eine leichte Anhebung der Negativzinsen in Richtung null, aber keine Zinsschritte in den positiven Bereich.
Was bedeutet das alles für die Kapitalmärkte im laufenden Jahr? Keine Zeitenwende, aber doch herausforderndere Zeiten für die Finanzmärkte. Dennoch: Aktien bleiben weiterhin die wichtigste Anlageklasse für einen langfristigen Vermögensaufbau, da sie an einer wachsenden Realwirtschaft partizipieren. Durch die Kurskorrektur im Januar 2022 haben sich die vormals hohen Bewertungen an den Aktienmärkten wieder normalisiert. Zugleich zeigen langjährige Betrachtungen, dass in Phasen, in denen die Fed ihre Leitzinsen erhöht, Aktienrenditen geringer ausfallen als in Phasen expansiver Geldpolitik. In diesem Umfeld bevorzugen wir daher sogenannte Value-Aktien, also mehr defensive Titel wie Basiskonsumgüter und Versorger. Zudem sind im vergangenen Jahr die geopolitischen Risiken stark angestiegen. Da historisch über längere Zeiträume gesehen der Goldpreis stieg, wenn geopolitische Risiken zunahmen, und sank, wenn sich die Lage beruhigte, kann eine dauerhafte strategische Allokation von Gold im Portfolio zur Risikoreduktion beitragen.